Gast Gast
| Thema: Winternacht Sa Dez 04, 2010 10:34 am | |
| Mir ist mal ganz spontan eine Kurzgeschichte eingefallen, ich musste sie einfach aufschreiben. So ungefähr die Hälfte der Geschichte stimmt, vielleicht sogar etwas mehr. Hier ist sie: - Spoiler:
Die Serie ist eindeutig besser als das Buch, ging mir durch den Kopf, während ich „Rückkehr bei Nacht“, den 5.Teil von „Tagebuch eines Vampirs“ von Lisa J. Smith las. Erst gestern hatte ich es mir von einer Freundin ausgeliehen. Sie hatte mich gewarnt, dass das Buch nicht so gut war, wie sie gedacht hatte. Trotzdem hatte ich es mir voller Vorfreude auf meinem Bett bequem gemacht und angefangen zu lesen. Und jetzt saß ich hier, das Buch in den Händen und dachte darüber nach, wie viele Unterschiede es doch zwischen der zu der Buchreihe „Tagebuch eines Vampirs“ und der dazugehörigen Serie „The Vampire Diaries“ gab, da mich die Worte, die in dem Buch standen, nicht fesseln konnten. Doch trotz allen Unterschieden war noch immer Damon Salvatore, ein absoluter Badboy, geheimnisvoll und gutaussehend, meine Lieblingsfigur aus Serie und Buch. Zu dem wurde er in der Serie auch noch von meinem Lieblingsschauspieler Ian Somerhalder verkörpert. Seufzend legte ich das Buch zur Seite und stand auf, als mein Vater hereinkam. „Gehst du heute zufällig noch einkaufen?“, fragte er, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er war dünn, nicht schmächtig aber auch nicht übertrieben muskulös und etwas größer als der Durchschnitt. Genauer konnte ich seine Größe nicht beschreiben, denn es war schon immer ein Problem für mich gewesen zu schätzen, wie groß jemand war. Mein Vater hatte schwarze Haare, die schon dabei waren zu ergrauen und warme dunkelbraune Augen. „Weshalb?“. Erwiderte ich und betrachtete sein vertrautes, freundliches Gesicht. „Na ja, übermorgen ist doch Nikolaus und ich hatte nicht daran gedacht, ein kleines Geschenk zu besorgen. Ich kann heute ja nicht einfach einkaufen gehen und morgen ist Sonntag, da haben die Geschäfte geschlossen.“ Mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, und meine Tante waren grade zu Besuch und würden auch hier übernachten, deshalb konnte ich verstehen, dass er nicht einfach weggehen wollte. Das wäre unhöflich gewesen und auch etwas dumm. „Ich kann ja kurz losgehen.“, sagte ich schließlich. „Okay, danke.“ „Was soll denn mitbringen? Was mag Mum noch gerne, außer Nougat?“ „Sie mag ja eigentlich alles, nur Pralinen mit Alkohol nicht so gerne.“ Obwohl er nicht erwähnt hatte, dass das Geschenk für Mum sein sollte, war es mir klar gewesen. Dad ging kurz aus meinem Zimmer, um kurz darauf mit zwei 5 Euro Scheinen in der Hand zurückzukommen. „Das müsste reichen.“, murmelte er und drückte sie mir in die Hand. „Nochmals danke.“, sagte er noch lächelnd, dann ging er zurück ins Wohnzimmer, wo mein Onkel, meine Tante und meine Mutter gerade Bilder unseres letzten Mallorca Urlaubs anschauten. Sie waren fröhlich, dass erkannte ich an ihren Lachen, dass zu mir drang, als mein Vater die Tür öffnete. Ich holte mein „Ohne dich ist alles doof“ Portmonai heraus, steckte die zehn Euro hinein und warf einen kurzen Blick nach draußen. Es war schon dunkel, obwohl es gerade mal 5 Uhr war. So war der Winter nun mal. Eiskalt und dunkel. Genau das war es, was ich liebte. Nachdem ich meinen MP3-Player geschnappt hatte zog ich mir meine dicke, weiße Winterjacke und meinen hellen, hochhackigen Schuhe an. Dann ging ich nach draußen. Der eiskalte Wind schlug mir augenblicklich ins Gesicht, zerrte an meinen Klamotten. Lächelnd steckte ich mir die Stöpsel meines MP3-Players in die Ohren, schaltete ihn an und drückte auf den Play-Knopf. Ich liebte den Winter, die Kälte, den Schnee. Besonders nachts war es wie in einem Traum, die Stille, das bläuliche Leuchten des Schnees… Ich ging los. Auf meinem Weg begegnete mir fast niemand, es schien fast so, als wäre ich allein auf dieser Welt. Mit einem tiefen Atemzug sog ich die klare, eiskalte Winterluft ein. Die Kälte und Kraft des Windes, der mir die Haare aus dem Gesicht wehte, lies mich erzittern. Eigentlich hätte ich Angst haben sollen, so alleine in der Dunkelheit, doch das Gegenteil war der Fall. Es war fast so, als lies die Nacht, die Einsamkeit und der Winter mich aufblühen. Ich fühlte mich selbstsicherer und besser als jemals zuvor. In meinen Ohren klang das Lied „Mad World“ von Gary Jules. Ein langsames und trauriges Lied, das perfekt zu der Welt um mich herum zu passen schien. Noch immer ein verträumtes Lächeln auf den Lippen sah ich mich um, betrachtete die schneebedeckte, dunkle und zugleich helle Landschaft, die verschneiten Häuser und Straßen und schließlich den wolkenfreien, dunkelblauen Sternenhimmel, der einen leichten Grau-Ton aufwies. Der Mond war nicht zu sehen, doch einige Sterne erhellten die Finsternis der Nacht. In unregelmäßigen Abständen stand eine Straßenlaterne an der Straße, die ein sanftes orange-farbendes Licht ausstrahlten. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen, ich konnte es hören und spüren. Langsam nahm ich die Stöpsel aus meinen Ohren und schaltete den MP3-Player ab. Das einzige, was ich jetzt noch hörte, war das Geräusch meiner Schritte, das Knirschen des Schnees unter meinen Schuhen und das klackern meiner Absätze, das unnatürlich laut in der menschenleeren Straße hallte. Nur ab und zu fuhr ein einzelnes Auto an mir vorbei, wie ein heller, lauter Schatten. Nach einer Weile bog ich in einen kleinen Waldweg ab. Es war der kürzeste Weg zum nächstgelegenen Einkaufszentrum und außerdem mochte ich den Wald. Hier war der Schnee höher, und doch hatte ich keine Schwierigkeiten damit, ohne zu stolpern weiterzugehen. Sehnsucht erfasste mich, als ich zur Seite blickte. Alles war mit einer mehreren Zentimeter hohen, so wunderbar weich aussehenden Schneedecke bedeckt. Nachdenklich blieb ich stehen, zögerte noch einen Moment und öffnete dann meine Jacke, um sie zur Seite zu legen, und zog Schuhe und Socken aus. Danach lies ich mich in den Schnee fallen. Die Kälte raubte mit einen Moment lang den Atem, dann kam der Schmerz, der sich langsam durch meine Kleidung und Glieder fraß. Die Augen geschlossen und den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet lag ich da, fast völlig unter dem Schnee begraben. Ich spürte den eisigen Schnee auf meiner Haut, der langsam schmolz. Der Schmerz lies in meinem Kopf keinen Platz mehr für Gedanken, nahm meinen Körper ein. Ich wehrte mich nicht, zu unbeschreiblich war das Gefühl. Wunderschön und schmerzhaft zugleich. Wie tausend eiskalte Nadeln, die in meinen Körper stachen, überall. Meine Haut kühlte sich merklich ab, viel zu schnell, das dünne T-Shirt, dass ich trug, meine Hose und meine Unterwäsche boten nicht viel Schutz, doch es war mir Recht so. Nun fing mein Körper an zu kribbeln, dann war es so, als würde er zusammengezogen werden, innerlich. Ein paar Tränen rollten über mein Gesicht, danach merkte ich, wie meine Glieder anfingen gefühllos zu werden. Die Nerven wurden betäubt und fingen an, abzusterben, ich wusste es. Jetzt spürte ich nichts mehr, nur noch eine unglaubliche Müdigkeit. Ich kämpfte nicht dagegen an, warum auch? Viel zu schön war das Gefühl, viel zu sicher sah die Dunkelheit aus, die mich langsam immer mehr hinab zog. Ein letztes Mal öffnete ich die Augen, blickte mit einer von Tränen, die noch immer unbemerkt an meinen gefühllosen Wangen herab liefen, verschwommenen Sicht in den Nachthimmel. Einige Bäume streiften mein Blickfeld, der Schnee leuchtete gespenstisch schön. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie schön die Welt doch war. Und wie schön sie wäre, ohne Menschen, die alles zerstörten und vernichteten. Mein Blick blieb an einem einzelnen Stern hängen, der heller leuchtete als all die anderen. Unendliche gab es von ihnen, hunderte die wir sahen und noch viele tausende mehr, die wir niemals wahrnehmen würden. Unerreichbar und voller Stolz und Schönheit. Ja, das waren die Sterne. Schöner als die Sonne, die die Nacht vertreibt und uns Lebewesen Licht und Wärme spendete. Ich mochte die Nacht, die Sterne und den Mond, schon immer lieber als den Tag. Ganz anders als so viele meiner Freunde…ja, ich hatte viele Freunde. Im Internet, in der Schule, in der Nachbarschaft…doch es gab nur zwei Menschen, die mir so wichtig waren, dass ich alles für sie geben würde, mein Leben. So viele Seelen, die meinen Weg gekreuzt hatten, am Rande meines Lebens, ohne es jemals wirklich berührt zu haben. Viele haben mich auf meinem weg begleitet und sind dann gegangen, doch nicht sie. Nicht diese zwei Menschen, für die ich alles tun würde, die ich liebte. Nicht wie man einen Jungen liebt, sondern eher wie eine Schwester, wie Seelenverwandte. Werden sie um mich trauern? Sicherlich. Doch sie werden darüber hinwegkommen. Heilt die Zeit nicht alle Wunden, sagen das nicht immer alle? Ich habe den Spruch nie geglaubt. Hoffentlich werden sie ein glückliches, erfülltest Leben haben. Wenn ich all ihre Trauer, ihren Schmerz und ihre Sorgen von ihnen nehmen könnte, würde ich es machen. Mögen sie keine Probleme haben, keine Steine auf ihrem Weg. Mögen sie immer Freunde und Familie haben, die zu ihnen halten. Mögen all ihre Wünsche und Träume in Erfüllung gehen… Ich wusste nicht, wie lange ich schon hier lag, es können Stunden gewesen sein, vielleicht waren aber auch erst Sekunden vergangen. Es spielte keine Rolle mehr. Ich hatte das Gefühl für Zeit verloren, viel zu unwichtig erschien es mir. Zeit verging so schnell, jede Sekunde die davon ran war für immer verloren. Während ich die Augen schloss, bereit mich der Dunkelheit zu übergeben, schossen Bilder durch meinen Kopf, Wörter, Sätze. Kurz durchfuhr mich bedauern, als ich daran dachte, was ich nie erlebt hatte. Hatte ich jemals Liebe empfunden? Ware Liebe? Ich wusste es nicht mehr, doch in diesem Moment war es mir egal. So viele Bücher hatte ich gelesen, schmerzhaft schöne Bücher. Ein Buch war wie eine Droge, es quält einen, machte einen wahnsinnig, glücklich und traurig zugleich….und es macht süchtig. In der Tat war eine Droge wirklich der perfekte Vergleich für ein Buch. So viele Bücher hatten mich hoch fliegen lassen und dann fallen gelassen. Jedes Mal, wenn ich ein Buch gelesen hatte, ging es mir schlechter als zuvor. Und doch hatte ich nicht aufhören können, nicht aufhören wollen… Der einzige Unterschied zwischen einem Buch und einer Droge war, dass Bücher erlaubt sind und Drogen nicht. Noch einmal schossen mir Bilder durch den Kopf, bekannte Gesichter blitzten auf. Mein Vater, mein Bruder und meine Mutter, deren Haare ich geerbt hatte, Dieselben roten Haare, doch andere Augen. Ihre waren braun, wie die meines Vaters und meines Bruders, nur meine waren grün. Ein seltsames grün-blau-grau Gemisch. Langsam kroch die Trägheit durch meinen Körper, nahm Schmerz, Sorgen, alles von mir. Ein letztes Mal seufzte ich, dann lies ich mich, die Augen geschlossen und die Lippen zu einem seligen, friedvollen Lächeln verzogen, in die erlösende Umarmung der Dunkelheit sinken, die mich eins mit der Natur machte, mich hinab zog in einen ewigen Schlaf, aus dem ich nicht mehr erwachen sollte. Ein allerletztes Mal strömte Luft aus meinem Körper, erzeugte Dampf in der kalten Winterluft. Ich wusste es, ohne es zu sehen, denn ich war eins mit der Natur und der Welt, ich war die Natur. Es war das letzte, was ich spürte. Dann war alles vorbei. Ich schlief. Für immer.
Lg Jale |
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