Gast Gast
| Thema: Abschiedsbrief Fr Dez 10, 2010 2:34 pm | |
| Mir ist mal eine Idee gekommen, ich weiß, sie ist nicht sonderlich gut. Es ist der Abschiedbrief einer Person, die sich danach umbringt. Ich weiß, es klingt etwas heftig. Naja, ist mir nicht so gut gelungen, sind halt keine genauen Beschreibungen, ich hoffe, es gefällt euch trotzdem. Ich wollte mal versuchen, die Rechtfertigungen für einen Selbstmord darzustellen. (Ich weiß, dass klingt auch heftig) - Abschiedsbrief:
Es tut mir alles so leid, was geschehen ist. Vielleicht hast du es schon erfahren, bevor du diesen Brief liest, vielleicht sagt man es dir aber auch erst später. Ich weiß, dass du mich, nachdem du diesen Brief gelesen hast hassen wirst, doch ich bin dir einige Erklärungen schuldig. Nie in meinem Leben habe ich mich getraut, alles zu erzählen. Doch jetzt wirst du alles erfahren, ohne dass ich etwas auslasse oder lüge. Mein tiefsten Gedanken und Gefühle, die mich zu meiner Tat getrieben haben sind in diesem Brief niedergeschrieben und ich bitte dich, dass du die einzige sein wirst, die diese Worte, die aus dem innersten meiner Seele stammen, lesen wirst.
Ich hatte ein normales, eigentlich schönes Leben, ich hatte wundervolle Eltern, einen super Bruder und tolle Freunde. Mein Leben hätte perfekt sein müssen. Mir wurden fast alle Wünsche erfüllt, ich bin oft in den Urlaub gefahren. In der Schule war ich, bis auf einige „Durchhänger“ auch ganz gut. Doch trotzdem hatte ich das Gefühl, dass mich niemand so gesehen hat, wie ich wirklich war. Besonders die Lehrer nicht. Sie alle hatten Vorurteile gegen mich. Sie haben mir nicht geglaubt, mich für nicht schlau genug gehalten, ich wusste es, obwohl sie es nie gesagt haben, ihre Gesten und ihre Mimik, sowie die Betonung ihrer Worte haben es mir immer und immer wieder nur allzu deutlich gezeigt. Es war schmerzhaft für mich, dass niemand an mich glaubte. Deswegen strengte ich mich noch mehr an…doch es nützte nichts. Noch immer diese Vorurteile. Ich wollte immer die Beste sein, ich wollte, dass andere zu mir aufschauen, mich loben. Ich wollte im Mittelpunkt stehen, und gleichzeitig auch nicht. Doch ich war nie die Beste, ich blieb immer hinter anderen zurück, so sehr ich mich auch anstrengte. Und ich stand auch nie im Mittelpunkt, nur einmal hätte mir gereicht. Ich wollte doch nur einmal etwas besonderes sein. So oft habe ich mir gewünscht, dass ich für irgendetwas besonderes sterben würde, sodass ich ein einziges Mal einen großen Auftritt hätte, an den viele zurückdenken, ein einziges Mal nur…Ich wollte, dass sie an mich glaubten, ohne Vorurteile, die so schmerzen… Doch so war es nie.
Ich weiß nicht mehr, wie es früher war, doch meine Vergesslichkeit ist möglicherweise Segen und Fluch zugleich. Oft wünschte ich mir, ich könnte mich an alles erinnern, jedes Detail meines Lebens, doch meine Erinnerungen reichen meist grade mal bis zur letzten Woche zurück, nur unglaublich wichtige Momente sind in meinem Herzen gespeichert. Früher habe ich das gehasst, dass ich ständig alles vergaß, mir nichts merken konnte, doch wenn ich jetzt, während ich diesen Brief schreibe, darüber nachdenke, merke ich, wie froh ich doch bin, mich nicht mehr an alles erinnern zu können…den ganzen Schmerz, die Trauer…ich möchte sie nicht spüren, nicht noch einmal. Es ist ein Segen, dass ich Dinge, die mir kurz zuvor passiert sind, sofort wieder verdrängen konnte. Es ermöglichte mir so lange, dass ich doch noch die Kraft hatte, weiterzuleben.
Wegen diesen Umständen, dass ich keine Genauigkeiten über meine Vergangenheit, keine Gefühle, Gedanken, mehr weiß, kann ich dir leider nicht erklären, wie es mir früher gegangen ist. Ich weiß auch nicht mehr genau, wann es angefangen hat, doch es war ein langsamer Anfang, der Schmerz lauerte schon lange in mit, tief verborgen, vergraben in meinem Herzen. Doch dann, als er zum ersten Mal freigelegt wurde, war es schmerzhaft, so schmerzhaft. Ab da wurde es mit jedem Tag schlimmer, unerträglicher, doch ich hielt es klaglos aus, ohne jemanden davon zu erzählen. Ich konnte nicht. Und ich wollte nicht. Zum einen hatte ich Angst, nein, ich wusste, sie würden mich nicht verstehen, und zum anderen wollte ich sie nicht damit belasten. Es gab nichts, dass mir helfen konnte, weswegen soll ich dann andere auch noch dazu bringen, Schmerz zu empfinden? Nein, das war nicht meine Absicht, niemals. So oft habe ich anderen versucht zu helfen, ich habe mich nach hinten gestellt, war für andere da. Sie konnten mir alles erzählen, ich würde es niemals weitererzählen, ich würde und hab versucht ihnen zu helfen, war für sie da. Immer. Selbst wenn es mir schlecht ging, war ich da.
Doch das war nur meine Gute Seite, ich hatte auch eine schlechte, eine sehr schlechte sogar. Ich habe gelogen. Oft. Sehr oft sogar. Manchmal ohne Grund, um anzugeben, weil ich wollte, dass ich dazugehörte. Das wollte ich immer, dazugehören, von allen gemocht werden. Ich habe alles dafür getan, doch immer wieder wurde mir klar, dass ich nicht die Person bin, die ich mir erträumt hatte. Zu meinen Lügen kommt auch noch, dass ich unzuverlässig war. Ich habe meine Aufgaben nicht erledigt, einfach, weil ich keine Lust hatte…ich war so unglaublich müde… Ich war ein schlechter Mensch. Egoistisch. Selbstgerecht, Verlogen. Mir fallen keine Worte ein, die meinem schlechten Verhalten gerecht werden.
Ich habe gelacht, um vorzutäuschen, dass ich glücklich wäre, wenn die anderen gelacht haben. Vielleicht wollte ich es auch mir selbst vortäuschen. An einigen Tagen ging es mir besser, doch jedes Mal, wenn ich wieder „unten war“ merkte ich, wie sinnlos doch alles war. Dieser Schmerz ist zu viel für mich, ich kann ihn nicht mehr in mir tragen. Es gibt keine Möglichkeit ihn loszuwerden oder zu verringern. Die Trauer war nicht immer das schlimmste, manchmal war da auch noch die Leere, so unendlich viel schmerzhafter als die Trauer. Dann konnte ich nicht weinen, nicht nachdenken. Nichts fühlen. Ab und zu, besonders in letzter Zeit, hatte ich öfters fast emotionale Zusammenbrüche. Zuerst kam unglaubliche Wut, auf alles, auf jeden. In dem Moment habe ich alles so gehasst, ich hätte töten können, wollte zerstören. Doch eigentlich habe ich nie gehasst, ich kann nicht hassen. Selbst jemand, der mich jahrelang gemobbt hat, konnte ich nicht hassen. Ich war einfach nicht in der Lage dazu. Genauso wie ich unfähig war zu lieben, verliebt zu sein. Ich habe dieses Gefühl oft erträumt, doch nie gespürt. Nach meiner Wut kam dann der Zusammenbruch, alles fiel auf mich herab, ich wurde auf die Knie gezwungen, fiel auf den Boden, kraftlos, von Schluchzern geschüttelt. Nachdem kam dann die Leere. So war es immer. Nie hat jemand mein Weinen gehört.
Ich sagte dir, dass ich alles erzählen werde, ohne etwas auszulassen, deswegen werde ich auch folgendes aufschreiben: Neulich erst war es besonders schlimm. Ich konnte nicht mehr, wollte nicht mehr. Wollte mich Umbringen, doch hab es nicht getan. Doch ich habe mir ein Messer aus der Küche geholt, hab mir Jacke und Schuhe angezogen. Meine Mutter war nur einen Raum entfernt. Mein Gesicht war Tränenverschmiert und in meiner Hand war das Messer, doch meine Mutter kam nicht aus dem Raum. Ich glaube, ich hatte gehofft, dass sie mich abhält von dem, was ich vorhatte. Sie kam nicht. Ich ging raus, in unseren Garten. Eine dicke Schneeschicht lag auf dem Rasen, ich ging hindurch, hinter einen Baum, wo man mich nicht so gut sehen konnte. Dann nahm ich etwas von dem Schnee, hielt ihn an meinen linken Arm, bis die Haut fast gefühllos war, setzte das Messer an und machte einen kleinen, vorsichtigen Schnitt. Er war nicht tief, doch trotzdem blutete er. Der Anblick hatte mich fasziniert, der leichte, unwirkliche Schmerz tat gut.
Seit dem hatte ich öfters Schnitte an meinen linken Arm gesetzt, tiefere, längere. Jetzt waren es insgesamt 9.
Das war jetzt erstmal genug meiner Gründe. Du wirst sie nicht verstehen, dass weiß ich, aber das verlange ich auch nicht von dir. Ich kann meine Gedanken und Gefühle nicht in Worte fassen.
Es tut mir alles so unendlich leid, der Schmerz, den ich dir und anderen zufüge, doch ich kann nicht anders. Ich muss diese Welt verlassen, ich muss gehen. Ich kann nicht mehr. Du wirst dich jetzt fragen, warum ich so etwas Selbstsüchtiges tue. Aber ist es denn selbstsüchtig? Vielleicht, doch ist es nicht auch selbstsüchtig von jemand anderen, einen, der nicht mehr leben will, davon abzuhalten zu sterben? Ich habe schon so oft nur an andere gedacht, mich selbst vernachlässigt. Ich habe schon so lange mit diesen Schmerzen gelebt. Viel zu lange. Du willst mich zwingen weiterzuleben? Du möchtest, dass ich versuche, einen anderen Ausweg zu finden? Es gibt keinen anderen Ausweg, dass, was mich belastet, ist viel zu tief in meinen Gedanken, meinem Herzen und meiner Seele verankert. Indem du mich zwingst weiterzuleben, für DICH, für die Menschen, die mich lieben, zwingst du mich auch, selbstlos zu handeln. Du zwingst mich, mit meinen Schmerzen weiterzuleben, ein Leben zu leben, das ich nicht will. Ihr könnt mir nicht helfen. Ich soll daran denken, wie ihr euch fühlt? Das tat ich schon so oft…ich habe eure Gefühle berücksichtigt, mich selbst dabei zerstört. Ihr habt es nicht einmal bemerkt. Das, was du von mir verlangst, ist nichts, was ich dir geben kann. Mein Leben gehört mir allein, es ist meine Entscheidung, was ich damit mache. Ich hatte nie vor, dich zu verletzten, nein. Aber ich kann nicht mehr. Es tut mir so leid. Ich kann nicht mehr immer nur an andere denken, dazu habe ich keine Kraft mehr. Es tut mir leid, dass ich dir meine Gründe nicht genauer beschreiben kann, damit zu mich verstehst, doch mich hat wieder diese unglaubliche Müdigkeit überfallen, wie so oft. Ich will schlafen...für immer.
Was ich dir noch sagen will: Du bist nicht Schuld! Bitte glaube mir, es ist nicht wegen dir und du hättest es auch nicht verhindern können, es war meine Entscheidung, ganz alleine. Niemand konnte mich davon abbringen. Du hast mir Halt gegeben, der mich so lange dazu gebracht hat weiterzuleben. Diese Welt ist nichts für mich. Das einzige, was ich will, ist für immer schlafen. Bitte, ich möchte nicht, dass du traurig bist. Lebe dein Leben weiter, sei glücklich. Du warst eine der wichtigsten Personen in meinem Leben. Verzeih mir.
Bitte schreibt Kommis. Lg Jale |
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