Brief an dich

Wie kann ich die Dinge, die ich ausdrücken will in Worte fassen?
Ich besitze nicht das notwendige Talent, um all das aufzuschreiben, was ich denke und fühle.
Weshalb wollen meine Gedanken sich nicht auf Papier fesseln lassen?
Es ist so schwer…manchmal wünsche ich mir, jemand würde meine Gedanken hören können.
Ich lebe in meiner eigenen Welt, bilde sie in meinem Kopf. Tausend Ideen habe ich, Millionen von Geschichten formen sich fast von alleine, doch ich bin nicht in der Lage, auch nur eine von ihnen aufzuschreiben. Sobald ich es versuche, sind alle Ideen weg, die ganzen Gefühle, nur Müdigkeit bleibt. Schon so oft habe ich versucht sie zu überwinden, doch ich schaffe es nicht. Wie eine Barriere, die verhindern will, dass andere wissen, was ich denke, versperrt sie meinen Kopf. Auch jetzt, während ich dies schreibe, bin ich so unendlich müde…
Die Wahrheit lässt sich nicht festhalten, genauso wenig wie das Glück.
Wieso kann ich nur lügen, nicht sagen, was ich wirklich fühle?
Wie soll ich denn beschreiben, wie es mir geht, wenn diese Barriere in meinem Kopf ist?

Seufzend starrte ich auf den Text, den ich bisher geschrieben hatte. Es war die Wahrheit, doch nicht die ganze. Ich konnte es nicht besser beschreiben…nicht auf Papier, nicht schreiben. Nur denken. Wie kann ich ihr nur zeigen, was ich denke? Wie kann ich ihr helfen?
Ich wünschte mir so sehr, ich wüsste es…
Ein Brief…vielleicht in einem Brief. Kann ich so ausdrücken, wie dankbar ich ihr bin?
Ich muss es versuchen, vielleicht ist es die letzte Möglichkeit, die mir bleibt…ach, wäre ich doch nur bei ihr. Ich wünschte, ich könnte sie halten, trösten. Worte sagen, die sie beruhigen.
Sie soll sich nicht schuldig fühlen…sie ist so ein toller Mensch.
Weiß sie das denn nicht?
Ich muss versuchen, es ihr zu zeigen, zu sagen. Alles. Ich kann ihr vertrauen. Das weiß ich.
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch, suchte nach den richtigen Worten. Dann begann ich zu schreiben.

Liebe Drea,

Ich stoppte. Sollte ich ihren richtigen Namen verwenden? Oder einer ihrer Decknamen?
Ich wusste es nicht…sollte das Schreiben des Briefes etwa schon an dieser Kleinigkeit scheitern? Nein…das durfte ich nicht zulassen.
Schließlich entschied ich mich, den Namen, den sie selbst wohl als wahr empfand, zu verwenden.

Liebe BrokenSoul,

Erneut hielt ich inne. Was sollte ich schreiben? Wie sollte ich anfangen? So viele Fragen…
War es schon zu spät? Ich hatte Angst…Angst, dass ich ihr nicht helfen konnte, dass ich nicht die richtigen Worte fand. Oh…es darf nicht zu spät sein…bitte nicht…das würde ich nicht aushalten. Ich habe so Angst um sie…
Weshalb habe ich ihr nicht schon früher geholfen? Nein, ich darf mir keine Vorwürfe machen, sonst würde sie sich nur noch schlechter fühlen…
Entschlossen und durchdrungen von Verzweiflung setzte ich erneut an.
Ich MUSSTE es einfach schaffen.

Liebe BrokenSoul,
ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Es gibt so vieles, das ich dir sagen will.
Ich versuche mal, ganz vorne anzufangen, ganz am Anfang, da, wo wir uns kennen lernten…
Durch ein Forum, das Flammen-Eisclan Forum schreib ich das erste Mal mit dir. Ich weiß sogar noch, warum…du hattest eine Frage wegen einem RPG. Du schriebst mir eine Pn, ich antwortete. Es mag vielleicht verrückt klingen, aber schon da hatte ich das Gefühl, dass ich dir vertrauen konnte wie sonst keinem anderen Menschen auf der Welt.
Wir schrieben öfters miteinander, trafen uns im Chat. Ich fand dich von Anfang an nett, sehr nett. Ich weiß nicht genau, ob du es genauso siehst, aber aus meiner Sicht freundeten wir uns schnell an. Ich konnte so offen mit dir schreiben, musste mich nicht verstellen. Ich vertraute dir, ich vertraue dir auch jetzt noch, daran hat sich nichts geändert und es wird sich auch nichts ändern, niemals.
Lange Zeit verging, wir leiteten zusammen mehrere Foren, verstanden uns sehr gut.
Dann kam die Zeit, wo es anfing, dass es mir so richtig schlecht ging. Nicht, dass es mir vorher richtig gut gegangen war, aber es wurde immer schlimmer. Die Gefühle. Diese Leere und der Schmerz, immer öfter überraschten sie mich. Ich schrieb Geschichten, versuchte all das auszudrücken. Ich konnte es nie so gut wie du, das schreiben. Es störte mich nicht.
Irgendwie wollte ich dir nichts sagen, wollte nicht zeigen, wie es mir ging, weil ich glaubte, dass es unsinnig war, wie ich mich fühlte. Es gab doch gar keinen Grund, dass ich mich schlecht fühlen könnte. Schließlich, nach langer Zeit, sagte ich es dir doch. Ich öffnete mich dir ganz. Ich war so erleichtert…es tat gut, dir alles zu erzählen. Du hast immer die richtigen Worte gefunden. Immer. Egal was war, du hast mich immer aufgeheitert.
Wie kann ich dich wissen lassen, dass das, was passiert ist, nicht deine Schuld war?
Als ich deine Geschichte gelesen habe…ich weiß nicht genau, was ich da gedacht habe. Du verstehst, welche Geschichte ich meine, oder? Falls nicht, ich meine „Death Angel-Die Ausbildung“
Ich möchte dich wissen lassen, dass du nicht Schuld bist, an dem, was ich beinah getan hätte. Es war sozusagen eine Kurzschlussreaktion von mir. Du hättest es nicht verhindern können, niemand könnte das. Und jetzt ist es sowieso zu spät. Aber ich weiß, dass es ein Fehler war.
Doch kommen wir nun zu dem eigentlichen Grund, warum ich das alles schreibe.